Der Weg der Katsinam in das europäische Bewusstsein

Die wissenschaftliche Beschäftigung mit Katsinam – aber vor allem auch tithu – geht auf das späte 19. Jahrhundert zurück. Bereits Mitte des 19. Jahrhunderts erwarben Reisende vereinzelt Figuren von den Hopi, das wissenschaftliche Interesse begann jedoch konkret 1879. Während einer Expedition im Auftrag des Bureau of American Ethnology besuchte das Ethnologenehepaar James Stevenson und Matilda Coxe Stevenson Walpi (First Mesa) und sammelte Objekte (Bol 2001:132). An dieser Reise nahm auch Frank Hamilton Cushing teil, der im Anschluss mehrere Jahre bei den Zuni verbrachte und ebenso wie Coxe Stevenson Objekte für die Smithsonian Institution sammelte. Damit trugen sie ebenso wie der Missionar Heinrich Voth, sowie die lokalen Händler Frederick Voltz und Thomas Vaker Keams (s. unten) zur Verbreitung von Hopi-Objekten in Museen bei (Wright 2001:146).

Als James Stevenson und Matilda Coxe Stevenson 1879 Oraibi erreichten, setzte die Ethnologin energisch durch, in eine der Kivas hinabsteigen zu dürfen.

Illustrated Police News, 6. März 1886

Keams spielte eine in jeder Beziehung zentrale Rolle bei der Verbreitung des Wissens über den Zeremonialzyklus und die Bedeutung der Katsinam. Er hatte 1875 eine Trading Post in Keams Canyon östlich der First Mesa eröffnet, die er bis 1902 betrieb. Er verkaufte unter anderem 100 tithu an das heutige Ethnologische Museum Berlin, das Peabody Museum of Archeology and Ethnology sowie an das University of Pennsylvania Museum of Archaeology and Anthropology. Zentral war aber vor allem, dass alle Forschungsexpeditionen über ihn Zugang zu den Hopi fanden (vgl. Graves 1998:139-170).

Bei Keams lebte von 1881 bis 1894 der Schotte Alexander M. Stephen, der in mehrere Kivagesellschaften initiiert wurde und den Zeremonialzyklus detailliert studierte. Die Ergebnisse hielt er vor allem in seinen erst 1936 veröffentlichten Tagebüchern der Jahre 1891 bis 1894 fest. Seine Beschreibungen und Zeichnungen bilden heute eine der wichtigsten und frühsten Quellen zu den Katsinam der Hopi.

Mit dem Bau der Eisenbahn, die Reisende ab 1882 bis auf 110 km an die Hopi-Mesas heranbrachte, wuchs die Zahl der wissenschaftlichen und touristischen Besucher schnell an. Berichte über den Schlangentanz, bei dem die Hopi-Tänzer lebendige Klapperschlangen im Mund tragen, verbreiteten sich schnell und lösten einen wahren „Schlangentanzwahnsinn“ (Sanner 1996:249) aus. Nun strömten Touristen sowie professionelle und Amateurfotografen auf die First Mesa, um am sommerlichen Spektakel in Walpi teilzunehmen. J. Walter Fewkes besuchte etwa zu Beginn dieser Zeit mit der Hemenway Southwestern Expedition (1891-1892) die Hopi, wo er tithu für das Peabody Museum sammelte. Anschließend reiste ein Jahrzehnt lang immer wieder auf die Mesas. 1903 publizierte er Hopi Katcinas Drawn by Native Artists, dessen von Hopi gezeichnete Katsinam schnell zu einer Art Katalog wurde, nachdem Sammler tithu bestellten oder in Auftrag gaben (Bol 2001:141).

Die von Hopi gemalten Katsinam wurden schnell zu Vorlagen für Sammler, die besonders schöne Exemplare bestellen wollten. Plate II zeigt Pawtiwa, Sip-ikne, Hakto und Saiastasana (Fewkes 1903:Pl. II).

Kurz nach Fewkes erreichte 1892 die Stanley McCormick Hopi Expedition unter George A. Dorsey, dem Kurator des Field Museum of Natural History in Chicago, die Hopi. Er hatte den Auftrag, für die World Columbian Exposition, die Jahre später in Chicago stattfand, zu sammeln. Zwar stand auch Dorsey mit Keams in Kontakt, doch war er der erste Forscher, den sein Besuch nicht auf die First, sondern auf die Third Mesa führte. Diese lokale Ergänzung wurde gestärkt, als der deutsche Mennonitenmissionar Heinrich R. Voth seine Zelte in Oraibi aufschlug, wo er bis 1902 lebte.

Voth war nicht nur an den Riten und Zeremonien der Hopi interessiert, sondern lernte die Sprache der Hopi, dokumentierte und sammelte. Seine Ergebnisse publizierte er in Kooperation mit Dorsey. Neben Frederick Voltz, der eine Trading Post in Canyon Diabolo, am Südwestrand der Navajo-Reservation betrieb, und später Charles L. Owen vom Field Museum, war er aber auch einer der wesentlichen Akteure in der Kommerzialisierung der tithu, die er als Zwischenhändler an verschiedene Museen aber auch an die Fred Harvey Company verkaufte, an die auch Voltz im Jahr 1901 knapp 400 tithu abgab (Bol 2001:141).

Der Missionar hatte enge Kontakte in sein Heimatland und wurde so zum zentralen Ansprechpartner für die Forschungs- und Sammlungstätigkeit des heutigen Ethnologischen Museums in Berlin. Dessen Gründungsdirektor Adolf Bastian hatte bereits 1883 Kontakt zu Frank Hamilton Cushing aufgenommen und über ihn eine Reihe von Zuni-Objekten erworben (Sanner 1996:245). Bastian war von einem „nostalgischen Evolutionismus“ (Sanner 1996:246) geprägt und fürchtete den Verlust der „Naturvölker“, weshalb er deren Erforschung und das Sammeln von Artefakten besonders betonte.

Der deutsche Kunsthistoriker Aby Warburg hatte – in den ihn prägenden Jahren – einige von Bastians Werken gelesen und war von dessen Gedankenwelt beeinflusst (Gombrich 1972:285). Auf seiner Reise nach Amerika im Frühjahr 1896 traf er nicht nur Cushing, sondern war Gast von Voth, was ihm besondere Fotografien und Begegnungen in Oraibi ermöglichte. Nach seiner Rückkehr stand Warburg direkt in Kontakt zum damaligen Museum für Völkerkunde, auf dessen Bitte hin er an J. Walter Fewkes schrieb, um den Kauf von tithu und anderen Hopi-Objekten durch das Museum zu vermitteln (Sanner 1996:245). Weitere akademische, aber auch öffentliche Kreise erreichte Warburg durch seine Lichtbildvorträge, die er in Hamburg und Berlin hielt. Einen davon sahen vermutlich im März 1897 Paul Ehrenreich und Karl von den Steinen bei der Freien photographischen Vereinigung zu Berlin. (Sanner 1996:245) Wie der Vortragende waren die beiden Ethnologen von der Kultur und den Zeremonien der Hopi fasziniert, weil sie sie als ursprünglich und frei von missionarischen und anderen Einflüssen ansahen. (Sanner1996:245-247). Einem etwas größeren Publikum wurden die Katschinas der Tusayanindianer (Neukirch 1897) im selben Jahr durch einen kurzen Beitrag in der Zeitschrift Globus bekannt.

Als von den Steinen und Ehrenreich im folgenden Jahr kurz nacheinander zu den Hopi reisten, um während ihrer Kurzaufenthalte Zeremonien zu besuchen und für das Berliner Museum zu sammeln, profitierten sie von Warburgs Beziehungen zu Heinrich Voth, der von da an in engem Kontakt zum Museum stand. Trotzdem verkaufte er zur Enttäuschung der Berliner Ethnologen seine eigene große Sammlung an das Field Museum in Chicago. 1901 erreichten dann allerdings 2.500 Objekte aus der Sammlung von Thomas Vaker Keams das Museum. Diese beinhaltete archäologische Artefakte, Körbe und andere Dinge. Von den 300 ethnografischen Objekten waren 100 tithu (Sanner 1999:122). Während diese vermutlich schon für den Verkauf gefertigt waren, stammen zumindest die sechs von Ehrenreich erworbenen tithu aus ihrem ursprünglichen Kontext. In seinem mehrteiligen Bericht über den Aufenthalt beschreibt er die Schwierigkeiten, die der Kauf machte, da die Kinder „sich nicht leicht von ihrem Spielzeug trennen“ (Ehrenreich 1899:92).

Die Bedeutung der beiden Berliner Reisen geht über die Knüpfung von Kontakten und den Erwerb von Sammlungsobjekten hinaus. So gelang es Ehrenreich mit Hilfe von Voth, die Genehmigung zu bekommen, u. a. die damals als Schlangentanz bekannte Zeremonie zu fotografieren, über die Warburg später seinen inzwischen berühmten Kreuzlinger Vortrag hielt. Da viele der Objekte in den Ausstellungen des Museums gezeigt wurden, regten sie auch die Fantasie der Besucher an; darunter auch Künstler wie der Maler Emil Nolde.

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