Essays

Der Blick der Europäer auf die Bewohner der Neuen Welt. Zu der Entwicklung des Bildes des „Indianers“ in der europäischen Kunst

Einleitung zu den kunstgeschichtlichen Essays

von Hilja Droste

Die kunsthistorischen Texte für die Wanderer-Ausstellung nehmen die künstlerisch vielfältige und vielgestaltige Zeit der ersten Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts untere die Lupe, in der vieles in der Kunst gleichzeitig möglich war und in einer Pluralität der Stile und Bewegungen zum Ausdruck kam. Durch das anhaltende Interesse der Deutschen an den „Indianern“ griffen Anfang des 20. Jahrhunderts auch Künstler – u.a. Max Slevogt, August Macke, Emil Nolde und Otto Dix –das Thema in unterschiedlicher Weise auf. Innerhalb der modernen Avantgarden waren es die Surrealisten (Andre Bréton und Max Ernst), die sich für die Indianerstämme Nordamerikas interessierten und u.a. Katsina-Figuren der Hopi sammelten. In die Kunstgeschichte fanden die Pueblo-Kulturen durch den Kulturhistoriker Aby Warburg Eingang, dessen Bericht über seine Reise nach Nordamerika (1895-96) noch heute breit rezipiert wird. Über das Erleben der Rituale der Hopi hielt er 1923 seinen berühmten Kreuzlinger Vortrag. 1

Die Beschäftigung der europäischen Künstler*innen2 mit den indigenen Kulturen Nordamerikas blickte in diesem Zeitpunkt bereits auf eine 400-jährige Bildtradition zurück, die von einigen aktiv rezipiert wurde, häufiger aber unterschwellig das künstlerische Schaffen beeinflusste. Die folgende Einleitung versucht einen kurzen Überblick zur Entwicklung der Darstellung der indigenen Völker Amerikas in der europäischen Kunst zu geben, damit die um 1900 entstandene Kunstwerke den heutigen Betrachter besser nachvollziehbar werden: Auf welche visuelle Stereotypien griffen die Künstler zurück? Mit welchen Interessen war die Darstellung des „Indianers“ verknüpft? Lassen sich Phasen oder Tendenzen in der Entwicklung der Bildtradition feststellen?

Kannibale in Federröckchen? Die frühen Darstellungen der indigenen Völker Amerikas

Die Darstellung der indigenen Bevölkerung in der europäischen Kunst ist von Anfang an mit Vorurteilen verknüpft: Die ersten bekannten Bilder der Bewohner der Neuen Welt wie z.B. die Illustration für das Flugblatt des Augsburger Buchdruckers Johann Froschauer von 15053, zeigen, wie diese, mit Federkronen und -Röcken gekleidet, Körperteile auf einem Feuer rösten. Zwar berichtet Christoph Columbus von seiner ersten Reise 1492–93 nach Amerika (bzw. nach Indien, wie er selbst bis zum Ende seines Lebens glaubte), dass die Menschen, die er auf seiner Reise traf, keine „Ungeheuer“, sondern im Gegenteil „sehr gutmüthige Menschen“ seien. Über ihr Aussehen schrieb Columbus, dass „ihre Haare […] glatt herunter“ fallen würden und sie „nicht schwarz wie die Aethiopier“ seien. Die gedruckten Versionen dieses von Columbus 1493 verfassten Kurzberichts erfreuten sich in Europa großer Popularität und wurden in verschiedenen Sprachen verbreitet, weshalb sich die Europäer vom Beginn der „Entdeckung“ Amerikas wahrheitsgetreue Beschreibungen rezipieren und sich über die Bewohner der Neuen Welt informieren konnten. Einige Ausgaben der Reiseberichte von Columbus beinhalteten neben Text auch Illustrationen, die die Inseleinwohner unbekleidet und langhaarig darstellten. Erst in den ebenfalls weit verbreiteten Reiseberichten aus Südamerika von Amerigo Vespucci,4 lasen die Europäer über Kannibalismus, der dann neben der Federkleidung das Bild des „Indianers“ über die nächsten Jahrhunderte bestimmen sollte. Zwar haben einige indigene Stämme tatsächlich Menschenfleisch gegessen, das hatte allerdings rituelle Zusammenhänge und diente nicht um ihren Hunger zu stillen. Für die Europäer war der Kannibalismus anscheinend ein Merkmal, das sie gerne aufgegriffen, um so die Bewohner der Neuen Welt mit diffamierenden Eigenschaften auszustatten.

Wie ist dieses Phänomen zu erklären? Die Darstellung der Fremden als Monster hatte eine lange Tradition in der abendländischen Literatur und fußte auf Beschreibungen der antiken Autoren, 5 die die Völker an Rändern der Welt als hundsköpfig, kopflos oder einfüßig beschrieben. Auch die bildliche Überlieferung der mit der Natur im Einklang lebenden wilden Männer und Frauen, die sich im Spätmittelalter großer Beliebtheit erfreute, trug zur Ikonographie des „Indianers“ in europäischen Vorstellungen bei. Dass diese Erzählungen lange Einfluss hatten, zeigt u.a. die Illustration Uslegung der Cartha Marina (1525/27) von Lorenz Fries, die zwei hundsköpfigen Wesen beim Zerteilen eines Menschen abbildet. Auch in Sebastian Münsters Cosmographia (1541 deutsch, 1550 lateinische Ausgabe) finden wir neben den damals neuen Erkenntnissen über Amerika auch den alten Wissenstand der antiken Autoren: So sollten dort neben Kannibalen auch kopflose wie hundsköpfige Fabelvölker sowie die mit großen Ohren ausgestatteten Panoti und mundlose Astomi, die sich vom Apfelgeruch ernähren, leben. Noch 1599 finden wir Druckgrafik von Jodocus Hondius6, die die Einwohner Guyanas kopflos zeigt. Neben diesen Phantasmen werden aber einige Details Tatsachen bzw. Quellen entsprechend abgebildet. Federkronen und -schmuck auf dem Kopf werden früh zu einem festen Merkmal der indigenen Völker Amerikas und sind schon in einer Illustration7 (1505) im Reisebericht zur dritten Reise Vespuccis zu sehen. Vermutlich beruhte das Festhalten an tradierten, aber falschen Informationen darauf, dass die Reisebeschreiber, Kosmographen und Illustratoren*innen das Wissen aus der Antike nicht in Frage stellen wollten. Dies wurde außerdem dadurch begünstigt, dass die Künstler nur in seltensten Fällen selbst Teilnehmer einer Entdeckungsreise waren: Sie mussten sich somit auf die schriftlichen oder mündlichen Überlieferungen verlassen und übernahmen häufig Details aus Werken anderer Künstler. Beide Quellen waren mal mehr mal weniger wirklichkeitsnah.

Diese frühen Drucke zeigen das Aussehen der Bewohner der Neuen Welt also nur wenig präzise und vermitteln meist mit Vorurteilen belastete Bilder, die die indigene Bevölkerung mit Kannibalismus und freier Sexualität in Verbindung brachten. Diese beiden Charakteristika inszenierte schon der am Anfang genannte Augsburger Holzschnitt, auf dem neben der Feuerstelle ein halbnacktes Paar dargestellt ist, das sich umarmt und küsst. Aber auch in dieser Frühphase lassen sich einige Künstler finden, die das Thema weniger sensationslüstern präsentierten und sich um Wissenschaftlichkeit bemühten. Eine dieser Ausnahmen ist der Holzschnitt mit Darstellung eines „Indianer“-Mannes 8 aus dem frühen 16. Jahrhundert: In einem leichten Kontrapost stehend hält dieser in seiner rechten Hand einen Bogen, in der linken einen Stock, der komplett mit Federn bedeckt ist. Der Künstler hat sich bemüht, die Kleidung und die Waffen wirklichkeitsgetreu abzubilden, während der Dargestellte hier – wie auch in den anderen frühen Drucken – einen bärtigen Europäer zeigt, dessen Körper in der Tradition eines muskulösen antiken Helds gestaltet ist. Diese Art der Wiedergabe, bei der die Figur mit Realien aus den Neuen Welten ausgestattet ist, ohne ethnospezifische Gesichtszüge eines indigenen Mannes zu berücksichtigen, wurde auch von weiteren Künstlern praktiziert, u.a. von Albrecht Dürer 9 und Hans Burgkmair d. Ä. 10

Die „exotischen Wilden“ in der europäischen Kunst der Frühen Neuzeit

Wie oben erwähnt, war ein Grund für die häufig fantasievollen Darstellungen der indigenen Bevölkerung im 16. Jahrhundert, dass diese selten auf eigenen Beobachtungen des Künstlers beruhten. In dieser Hinsicht war der englische Siedler John White eine Ausnahme. Seine ethnografisch genauen Aquarelle, die Personen des Algonkin-Stammes zeigen, basierten auf vor Ort angefertigten Skizzen (zwischen 1584 und 1587). Ein historischer Aspekt, der sonst selten Thema der europäischen Kunst war, wird dagegen in den populären Publikationen Grands Voyages (ab 1590) des Frankfurter Herausgebers Theodor de Bry und seiner Söhne hervorgehoben: Sie zeigen die indigenen Völker Amerikas als Opfer der spanischen Eroberer, was in diesem Kontext als antikatholische Propaganda verwendet wurde. Im folgenden Jahrhundert vertraten nur einzelne Künstler wie Albert Eckhout und Frans Post den „dokumentarischen Exotismus“, ansonsten dominierte in der europäischen Kunst die eurozentrische Sichtweise auf die indigenen Völker Amerikas. Dies wird besonders deutlich in den allegorischen Darstellungen der Erdteile zum Ausdruck gebracht, in denen die leicht bekleideten und von exotischen Tieren und Pflanzen begleiteten Frauen als Personifikationen Amerikas, Afrikas und Asiens dem vierten Kontinent Europa huldigten. Amerika wird dabei häufig als eine mit spärlicher Federbekleidung und einem Speer ausgestattete Frau dargestellt, die auf einem Gürteltier oder Alligator reitet und von weiteren exotischen Tieren wie Papageien begleitet wird. Oft ist der Hinweis auf Kannibalismus, entweder nur in Form eines abgetrennten menschlichen Kopfes (z.B. in Cesare Ripa, Iconologia, 1611, S. 360) oder als Schlachtszene (so u.a. bei Adriaen Collaert, America, 1595, Amsterdam, Rijksprentenkabinet, Rijksmuseum) im Hintergrund, als weiteres Attribut beigefügt.

Im 19. Jahrhundert wird das Bild des „Indianers“ ein wenig differenzierter: In der amerikanischen Kunst werden einerseits in der Historienmalerei die Siedler und Soldaten, die im Grenzland lebten und den sog. Wilden Westen kolonialisierten, verherrlicht. Anderseits sind Bemühungen festzustellen das Aussehen der Indigenen neutraler zu dokumentieren. Das wichtigste Projekt in dieser Hinsicht war die Publikation The History of the Indian tribes of North America (1836–1844), herausgegeben von Thomas McKenney, in dem zu den Texten Porträts von Indianern erschienen, die von Charles Bird King gemalt worden waren. Weitere Künstler, die einen wissenschaftlichen Anspruch vertraten, waren u.a. Karl Bodmer und Georg Catlin, wobei alle drei genannten Maler nicht vermeiden konnten, die indigene Bevölkerung mit durch Vorurteile geprägtem Blick zu betrachten: entweder wurden sie idealisiert als „edle Wilde“ dargestellt oder als unzivilisiert und primitiv. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts kam der Fotografie für die Dokumentation der Ureinwohner Amerikas eine wichtige Rolle zu: Die Idee, dass durch sie die Wirklichkeit unverfälscht festgehalten wurde, war Anlass, um diese neue Technik für ihre Wissenschaftlichkeit zu feiern. So objektiv sind die fotografischen Aufnahmen jedoch nicht, da es immer die Entscheidung des/r Fotografen/in ist, was er/sie aufnimmt und wie er/sie das Motiv inszeniert. Von diesen frühen Fotografien sind besonders die der sog. Piktorialisten (Ende 19./Anfang 20. Jahrhundert) einflussreich, zu denen u.a. Edward S. Curtis und Joseph Kossuth Dixon gehörten. Sie setzten den mit der Natur im Einklang lebenden „edle Wilden“ stimmungsvoll in die Szene. Während sich die Nordamerikaner mit den Siedlern und Cowboys identifizierten, begeisterten sich die Deutschen für heroische Häuptlinge, die in ihren Vorstellungen hoheitsvoll auf einem Berg stehend ins darunterliegende Tal schauten, wie es Emanuel Leutze im Gemälde Der letzte Mohikaner (1850) festgehalten hat. Zu diesem idealisierten Bild trugen die Lederstrumpf-Erzählungen (1826) von James Fenimore Cooper, Bücher von Karl May sowie die Wild West Shows bei, die sich Ende des 19. Jahrhunderts in Europa großer Beliebtheit erfreuten. Auch die Bilder von Catlin und King erschienen in deutschsprachigen Publikationen und waren den Lesern bekannt und präsent, wenn über die nordamerikanischen Indianerstämme geschrieben wurde.

Begeisterung für das „Primitive“: Die europäischen Künstler entdecken die nordamerikanischen Indianerkulturen

Vor diesem Hintergrund lässt sich auch das europäische und besonders das deutsche Interesse an der Kunst der indigenen Völker Amerikas erklären, die verschiedener Weise rezipiert wird. Einordnen lässt sich diese Begeisterung in das allgemeine Interesse westlicher Künstler um 1900 an der Kunst vormoderner Völker, vor allem aus Afrika und Ozeanien. In der Kunstgeschichte hat sich dafür die Bezeichnung „Primitivismus“ eingebürgert – ein problematischer Begriff, denn das Wort „primitiv“ beinhaltet eine negative Beurteilung bzw. Einordnung als etwas Rückständiges und Unterentwickeltes. Häufig beschränkte sich die Auswirkung auf das Schaffen der westlichen Künstler auf die Adaption von Formen oder Themen und stellte damit eine Aneignung dar, die aus der eurozentrischen Perspektive geschah und die Bedeutungen der fremden Kunst vereinfachte und als „barbarisch“ bewertete. Für die europäischen Künstler waren die Objekte und Kunstwerke der außereuropäischen Völker ursprünglich und authentisch und wurden für die Stärke ihres Ausdrucks bewundert. Die Künstler des Expressionismus, Fauvismus und Kubismus begannen, Objekte vor allem aus Afrika und Asien zu sammeln und besuchten Völkerkundemuseen, um Inspiration für das eigene Schaffen zu finden, so u.a. Pablo Picasso, Henri Matisse und in Deutschland besonders die Künstlergruppe Brücke. Während ein Teil der Künstler Einflüsse unreflektiert übernahm, haben sich andere ernsthafter für die unterschiedlichen Kulturen der Indigenen interessiert und setzten sich intensiver mit ihnen auseinander. Das Interesse an den Kulturen Nordamerikas spielte für diese Bewegungen allerdings eine geringere Rolle.

Die folgenden Essays versuchen nicht einen Gesamtüberblick zum Thema anzubieten, vielmehr werfen die Autor*innen Schlaglichter auf das Schaffen ausgewählter Künstler und befassen sich mit der kunsthistorischen und künstlerischen Auseinandersetzung mit indigenen Völkern Nordamerikas im westeuropäischen Kontext. Der Gegenstand einiger weiterer Texte sind Aby Warburgs Amerika-Reise und seine dort aufgenommenen Fotografien sowie das Netzwerk, das ihn bei seinem Vorhaben unterstützte. Ein anderer Text zu Aby Warburg konzentriert sich auf den Kreuzlinger Vortrag, der als Text ein Palimpsest ist, in dem Warburg auf verschiedenen Ebenen sein Thema behandelt: Das Gerüst bilden die Erinnerungen an die 27 Jahre zurückliegende Reise Warburgs. Von diesen ausgehend stellte er wissenschaftliche Überlegungen an, die das von ihm Gesehene und Erlebte interdisziplinär (Kunst- und Kulturgeschichte, Ethnologie, Religionswissenschaft, Kinderpsychologie) behandelte.

Literatur zum Thema

  • Ausst.kat. dada Afrika. Dialog mit Fremden, hrsg. v. Ralf Burmeister, Michaela Oberhofer & Esther Tisa Francini (Zürich, Museum Rietberg; Berlin, Berlinische Galerie), Zürich 2016
  • Ausst.kat. I like America. Fiktionen des Wilden Westens, hrsg. v. Pamela Kort & Max Hollein (Frankfurt, Schirn Kunsthalle), München 2006
  • Ausst.kat. Kachina-Figuren der Pueblo-Indianer Nordamerikas aus der Studiensammlung Horst Antes, hrsg. v. Horst Antes & Wolfgang Haberland (Karlsruhen, Badisches Landesmuseum et al.), Stuttgart 1980
  • Ausst.kat. Mythen der Neuen Welt. Zur Entdeckungsgeschichte Lateinamerikas, hrsg. v. Kohl, Karl-Heinz (Berlin, Martin-Gropius-Bau), Berlin 1982
  • Bender, Cora, Thomas Hensel & Erhard Schüttpelz (Hrsg.), Schlangenritual. Der Transfer der Wissensformen vom Tsu'ti'kive der Hopi bis zu Aby Warburgs Kreuzlinger Vortrag, Berlin 2007
  • Bredekamp, Horst, Aby Warburg, der Indianer. Berliner Erkundungen einer liberalen Ethnologie, Berlin 2019
  • Cestelli Guidi, Benedetta & Nicholas Mann (Hrsg.), Grenzerweiterungen. Aby Warburg in Amerika. 1895 – 1896, Hamburg 1999
  • Despoix, Philippe, Dia-Projektion mit freiem Vortrag. Warburg und der Mythos von Kreuzlingen, in: Zeitschrift für Medienwissenschaften 6, H 11; 2014, 18-36
  • Diers, Michael, Kreuzlinger Passion, in: Kritische Berichte 7, H 4/5, 1979, S. 5-14
  • Naber, Claudia, Pompeji in Neu-Mexiko. Aby Warburgs amerikanische Reise, in: Freibeuter 38, 1988, S. 88-97
  • Raulff, Ulrich, Wilde Energien. Vier Versuche zu Aby Warburg, Göttingen 2003
  • Warburg, Aby, Schlangenritual. Ein Reisebericht, hrsg. v. Ulrich Raulff, Berlin 1988
  • Warburg, Aby, Bilder aus dem Gebiet der Pueblo-Indianer in Nord-Amerika. Vorträge und Fotografien, hrsg. v. Uwe Fleckner & Ulrich Pfisterer, Berlin 2018
  • Warburg, Aby, Werke in einem Band, hrsg. und kommentiert von Martin Treml, Sigrid Weigel & Perdita Ladwig, Berlin 2018
  1. Zum ersten Mal erschien der Vortrag 1939 in einer englischen Übersetzung, erst 1988 erfolgte die deutsche Veröffentlichung: Schlangenritual. Ein Reisebericht, hrsg. v. Ulrich Raulff. Warburgs Vortrag ist in dieser Version bekannt geworden, obwohl der Titel nicht auf ihn selbst zurückgeht und der Text stark redigiert wurde.
  2. Zu den weiblichen Künstlern, die sich mit indigenen Kulturen Nordamerikas beschäftigten gehört u.a. Sophie Taeuber-Arp, die Maskenballkostüme gestaltet, die von tithu inspiriert sind. Siehe dazu: Walburga Krupp, „Echte Indianer“. Sophie Taeuber-Arps Frühwerk im Hinblick auf fremde Kulturen. Eine Spurensuche, in Ausst.kat. dada Afrika. Dialog mit Fremden, hrsg. v. Ralf Burmeister, Michaela Oberhofer & Esther Tisa Francini (Zürich, Museum Rietberg; Berlin, Berlinische Galerie), Zürich 2016, S. 49-55.
  3. Diese figur anzaigt uns das volck und insel…, kolorierter Holzschnitt, 34 x 25 cm, München, Bayerische Staatsbibliothek, Sign Einbl. Dr. V, 2.
  4. Vespuccis Mund Novus erschien um 1503/1504 in lateinisch, danach mehrere Auflagen auch in nichtlateinischen Sprachen, allein auf Deutsch zwölf Auflagen zwischen 1505 und 1508.
  5. Zu den Autoren, die in ihren Texten über Monster und Wundervölker schrieben, gehören u.a. Plinius d. Ä., Gaius Iulius Solinus sowie die literarische Überlieferung des Lebens Alexander des Großen, die Alexanderdichtung. Im Mittelalter wird das Wissen über die Wundervölker in De civitate Dei von Augustinus, im Physiologus, in Etymologiae von Isidor von Sevilla und in den Überlieferungen vom Brief des Priesters Johannes weitervermittelt.
  6. Die kopflosen Einwohner Guyanas, 1599, Wolfenbüttel, Herzog August Bibliothek, Sign. 150.50 Hist., 4.
  7. Das sind die new gefunden menschen…, Leipzig (?) 1505, Wolfenbüttel, Herzog August Bibliothek, Sign. Qu H 26,5.
  8. Darstellung eines Indianers, Deutschland, frühes 16. Jh., Holzschnitt, Berlin, Kupferstichkabinett, 90-1962.
  9. Dürer hat in das Gebetsbuch Maximilian I. (1515, Bayerische Staatsbibliothek, 2 L.impr.membr. 64, fol. 41r) in einer Randzeichnung einen stehenden jungen Mann festgehalten, der mit einem Federrock, einer Federkrone und Federschmuck ausgestattet ist.
  10. Die beiden lavierten Zeichnungen, Indianer mit Schild und Schwert (Inv.Nr. SL, 5218.128) sowie Indianer mit Ankeraxt (Inv. Nr. SL, 5218.129), gehören zu der Sammlung The British Museum London.

Aby Warburgs Amerika-Reise und die vor Ort entstandenen Fotografien

von Sofia Simeth

Aby Warburg brach im September 1895 von Hamburg aus nach Amerika auf, um an der Hochzeit seines Bruders Paul Moritz Warburg in New York teilzunehmen. Abgestoßen von der westlichen Zivilisation, der traditionellen Kunstgeschichte und angetrieben von seinem Forschungsvorhaben, mehr über die Bedeutung von Ornamentik und Symbolik in der Kunst zu erfahren, zog es ihn schon bald in den Südwesten der USA...

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Aby Warburgs ethnologisches Netzwerk

von Paula Günther

Dass der Kunsthistoriker Aby Warburg (1866–1929) sich selbst als Kulturhistoriker bezeichnete, liegt vor allem an Warburgs unerschöpflicher interdisziplinären Arbeitsweise. Kunstwerke waren für Warburg eng verknüpft mit den kulturellen Kontexten, die sie hervorbrachten, vermittelten und bewahrten. Sein letztes, unvollendet gebliebenes Projekt, der Bilderatlas Mnemosyne, ist einschlägiges Zeugnis von Warburgs Suche nach den Verbindungen von visuellen Ausdrücken und kulturellen Bezugsrahmen...

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Andre Breton und seine Katsina-Sammlung

von Ali Hwajeh

Die Sammeltätigkeit von Kunstobjekten und Artefakten mit subjektivem Wert ist keine Erfindung der surrealistischen Philosophie, sondern geht bis in die frühe Neuzeit in Europa zurück. Naturalia und Artificialia waren sowohl in den Studiolo der italienischen Renaissancepalazzi als auch in Wunderkammern der deutschen Patrizierhäuser zu finden. Durch ihre „mysteriöse Natur“ sollten die einzelnen Objekte dieser Sammlungen dem rational geprägten Denken ein besseres Verständnis über die Natur Gottes ermöglichen...

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August Mackes Verbindung zum Blauen Reiter und die Faszination für den (gar nicht so) Wilden Westen – Zwischen Romantik, Natur, Primitivismus und Faszination

von Franka Marlene Schlupp

Der Wilde Westen ist eine Bezeichnung, die wir heute noch mit Cowboys und Indianern in Verbindung bringen. Allerdings ist dieser Ausdruck überholt, denn die Zeiten haben sich geändert. Um 1900 war der Blick auf diesen Wilde Westen etwas verklärt und Nordamerika ein fantastischer Sehnsuchtsort für Abenteuer und Natur...

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Der Wanderer zwischen Oraibi und Kreuzlingen
Über Aby Warburgs Kreuzlinger Vortrag

von Min Zeng

Für Aby Warburg markierte das Datum des 21. April 1923 den Wendepunkt seines Aufenthalts in Kreuzlingen, da er in Absprache mit seinem Psychiater Dr. Kurt Bingswanger einen Vortrag mit Bildern unter dem Titel Über die Logik in der Magie des primitiven Menschen im Senatorium Bellevue, wo er seit April 1921 als Patient aufgenommen war, halten sollte. Dabei sollte Warburg über seine USA-Reise zwischen 1895 und 1896 berichten, um seine wieder-gewonnene wissenschaftliche Befähigung zu demonstrieren...

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Die primitive Sachlichkeit:
Otto Dix und das Indianermotiv

von Ilia Nasyrov

Zwei Welten, die unterschiedlicher kaum sein konnten und sich dennoch immer kollidierten, waren die naturverbundene Welt der Ureinwohner Nordamerikas und die industrielle Welt der Europäer. Mit der Entdeckung der Neuen Welt war die Neugier der Europäer zu dem neuen Kontinent und seiner Bevölkerung geweckt. Sie erreichte ihren traurigen Höhepunkt Ende des 19. Jahrhunderts in den Völkerschauen Europas, in denen Ureinwohner verschiedener Konti-nente für den europäischen Voyeur zur Schau gestellt wurden...

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Emil Noldes Blick auf die
Katsina-Figuren der Hopi

von Julia Ballweg dos Santos

Der Blick auf nichteuropäische Völker und deren Kunst ist eine Erscheinung, welche besonders in der modernen Kunst zu neuen Erkenntnissen und einer Erweiterung des Kunstbegriffes führen sollte. Viele Künstler*innen setzten sich Anfang des 20. Jahrhunderts mit dem ‚Indianer‘-Thema auseinander und prägten durch ihre Rezeption von Abenteuerliteratur, in der europäische Muster auf die Welt der Indianer übertragen wurden, und ihre eigene künstlerische Auseinandersetzung damit das klischeehafte Bild der Ureinwohner...

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Freiheit und Anarchie im Wilden Westen
Rudolf Schlichters „Indianerei“ als modernistischer Ausdruck der deutschen Rezeption indigener Kulturen Nordamerikas

von Margaret Anne Hogie

Rudolf Schlichter bezeichnete seine früheste Schaffensphase, die von Western Filmen und den Romanen Karl Mays maßgeblich beeinflusst wurde, als seine „Indianerei“, womit er „mutige, blutrünstige und abenteuerliche“ Gestaltung verband. Diese Auffassung und wie sie durch Film und Literatur in Schlichters Malerei und Grafik Ausdruck fand, wird in diesem Text anhand von den Werken Wild West...

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George Grosz

von Sarah Heidari

Georg Grosz, ein Mitbegründer der Berliner Dada-Gruppe, ist für uns vor allem bekannt als satirischer Gesellschaftskritiker der Weimarer Republik. Grosz entwickelte eine eigene Malweise, die im Kontrast zu der bekannten und traditionellen Kunstschaffung stehen sollte. Als Inspiration dienten ihm Kindergemälde sowie Graffitis, die er auf öffentlichen Toiletten oder an Straßenecken fand. Er verstand sich als Antideutscher und Pro-Amerikaner: Seine Kunst inszenierte er als Instrument gegen die politischen Umstände in Deutschland und somit gleichzeitig als Möglichkeit zum Protest...

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Marsden Hartley – auf der Suche nach neuen Ausdrucksweisen und dem inneren Ich

von Elaine Breidenstein

1877 im Neuenglandstaat Maine geboren, entwickelte der junge Künstler schnell ein Interesse an dem Spirituellen und dem Mystischen. Er las Texte von Dichtern und Philosophen wie Withman und Emerson, deren philosophische Ansätze ihn zeitlebens begleiten sollten und versuchte durch seine Kunst seinen Gedankengängen Ausdruck zu verleihen. In seiner transzendentalen Denkweise suchte er stets nach dem Sinn des Lebens und ließ sich dabei von den unterschiedlichsten Dingen leiten und inspirieren...

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Max Ernst – Faszination für die indigene Kultur

von Kim Rathnau

Im frühen 20. Jahrhundert beschäftigten sich viele westliche Künstler mit der Kunst außereuropäischer Kulturen. Während sich die Kubisten und Expressionisten mit der afrikanischen Kunst befasst haben, verlagerten die europäischen und amerikanischen Surrealisten ihr Interessengebiet auf die indigenen Kulturen Nordamerikas. Die Surrealisten identifizierten sich mit dem Phantastischen und Phantasievollen – mit der Verschmelzung verschiedener Wesen, die sich in der indigenen Kunst findet, sowie auch mit dem Bild der Freiheit, welches die Kulturen Nordamerikas widerspiegeln...

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Max Slevogt. Belebung einer Fantasie

von Merle Meta Kubasch

Nicht nur Aby Warburg wurde in seiner Kindheit von Abenteuergeschichten über „Cowboys und Indianer“ geprägt. Er schließt an eine Tradition an, die sich vornehmlich durch James Fenimore Coopers Lederstrumpf-Erzählungen etabliert hatte, wie im Folgenden aufgezeigt werden soll. Eine besondere Edition dieser Erzählungen ist die 1909 erschienene Luxusausgabe mit Illustrationen von Max Slevogt. Darin rezipiert der Künstler eine Vorstellung von Native Americans, die ihren Ursprung in Coopers Erzählungen findet und in den Wild-West-Shows an Form gewann...

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